Condition Monitoring » Die kontinuierliche Zustandsüberwachung von Maschinen und Anlagen

Veröffentlicht: 17.01.2023  |  Lesedauer: 6 Minuten

Egal, ob große Konzerne, mittelständische Unternehmen oder kleine Betriebe: Die Fertigung von Produkten stellt für die Mitarbeitenden täglich eine enorme Herausforderung dar. Denn ergänzend zur reellen Markteinschätzung und Absatzplanung muss auch die Fertigung reibungslos laufen. Besonders dann, wenn hoher Bedarf besteht.

Darum sind unvorhergesehene Ausfallzeiten in der Produktion der absolute Albtraum für die verantwortlichen Personen. Schließlich gilt es Lieferfristen einzuhalten und die zugesagten Stückzahlen sicherzustellen. Auch wenn es in vielen Betrieben eine umfassende Produktionsplanung gibt, sind plötzliche Ausfallzeiten von Maschinen und Fertigungsanlagen definitiv nicht kalkulierbar. Oder etwa doch?
Sicher, man kann bei der Planung gewisse „Pausezeiten“ zwischen den Aufträgen für eine eventuelle Instandhaltung einkalkulieren. Aber dadurch leidet die Effizienz und die Wirtschaftlichkeit, was sich letztendlich kein Unternehmen leisten kann. Condition Monitoring (CM) wäre da die weitaus bessere Lösung. In unserem Ratgeber erklären wir Ihnen, was mit einer Condition Monitoring Lösung gemeint ist, wie sie funktioniert und welche Vorteile sie bringt.



Was ist Condition Monitoring?

Ein Antriebssystem, eine Produktionsmaschine oder eine komplette Fertigungsstraße haben unabhängig von ihren unterschiedlichen Funktionen immer eines gemeinsam: Um die geforderte Aufgabe erfüllen zu können, muss eine Vielzahl an unterschiedlichen Komponenten reibungslos miteinander funktionieren. Und je komplexer die Arbeitsabläufe sind, desto wichtiger ist die ständige Kontrolle der korrekten Funktion durch das Bedienpersonal. Dabei hören gute Leute oft schon am Klang der Betriebsgeräusche, ob die von ihnen betreute Maschine richtig läuft oder ob etwas nicht stimmt. Sie erkennen bereits geringste Abweichungen und können so frühzeitig eingreifen, um größere Schäden und Ausfallzeiten zu verhindern

Allerdings braucht es dafür eine jahrelange Erfahrung. Zudem sind auch nicht alle Veränderungen so ohne weiteres von den maschinenführenden Personen wahrnehmbar. Besonders dann, wenn es sich um elektrische Parameter handelt, die sich verändern oder wenn eine Veränderung nur sehr langsam stattfindet. In diesem Fall hilft Condition Monitoring, also die exakte elektronische Zustandsüberwachung weiter.

Dafür werden Maschinen und Anlagen mit den unterschiedlichsten Sensoren ausgestattet, die alle für den Betrieb relevanten Parameter kontinuierlich erfassen. Mit Hilfe dieser Sensoren lassen sich bei Maschinen und Anlagen auch langsame Veränderungen oder ein sonst nicht spürbarer Anstieg der Leistungsaufnahme frühzeitig und zweifelsfrei erkennen.



Wie funktioniert Condition Monitoring?

Um sinnvolles Condition Monitoring durchführen zu können, müssen einige Punkte geklärt werden, damit die Umsetzung zügig erfolgen kann.

Einsatzbereiche und Messgrößen

Die Zustandsüberwachung von Maschinen und Anlagen setzt im Vorfeld eine gewisse Planung voraus. Denn eine vollumfängliche Überwachung aller Maschinen und Anlagen inklusive der Gebäudetechnik ist definitiv eine sehr kostspielige Angelegenheit.

Aus diesem Grund sollte Condition Monitoring vorzugsweise auf den Systemen durchgeführt werden, die für die Wettbewerbsfähigkeit des Unternehmens eine wichtige Rolle spielen.

Danach muss genau definiert werden, welche physikalischen Zusammenhänge wichtig sind und welche physikalischen Größen bzw. Messwerte an den jeweiligen Maschinen erfasst werden müssen.


Äußere Einflüsse

Zudem sind auch die äußeren Einflüsse bei der Maschinenüberwachung zu beachten. Denn sonst kann ein in der Nähe vorbeifahrender Gabelstapler sehr schnell zu einer Fehlmessung eines Vibrationssensors bzw. zu einer Überschreitung der zulässigen Grenzwerte führen. 


Sensorinstallation

Entsprechend dieser Vorgaben sind dann die geeigneten Sensoren auszuwählen.

Die Anbindung der Sensoren an die Auswerteeinheit kann entweder per Kabel (SPS und Busanbindung) oder kabellos (Funknetzwerk, Cloud Gateway, Cloud bzw. IoT) erfolgen.

Allerdings wollen die Auswahl und die Installation der Sensoren gut überlegt sein.

Denn nicht immer ist das Verlegen von Kabeln problemlos möglich und zuverlässige Funkverbindungen im industriellen Umfeld können zu einer echten Herausforderung werden.


Darstellung der Messwerte

Die erfassten Sensorwerte sollten dann übersichtlich auf einem Dashboard angezeigt werden, damit die zuständigen Personen sie richtig interpretieren können.

Wenn die „normalen“ Betriebsparameter definiert und die zulässigen Grenzwerte genau festgelegt wurden, kann sich die Software wie eine im Umgang mit der Maschine oder Anlage erfahrene Person verhalten.

Bereits bei geringen Abweichungen von den Standardwerten erfolgt eine Rückmeldung, damit weitere Maßnahmen eingeleitet werden können


Datenauswertung

Idealerweise erfolgt Condition Monitoring in enger Zusammenarbeit mit dem Hersteller der Produktionsanlage. Dadurch kann er im Bedarfsfall bei der Einrichtung unterstützen und später bei der Fernwartung auf die aktuellen Betriebsdaten des Systems zurückgreifen. Allerdings ist in diesem Fall auf eine ausreichende Datensicherheit zu achten.     

Neben der Überwachung der aktuellen Betriebsdaten ermöglicht die Datenspeicherung auch eine Langzeitbetrachtung der Maschinenparameter. Somit können auch langsame Veränderungen bei den Parametern, die durch Abnutzung einzelner Komponenten entstehen, zuverlässig erfasst und die erforderlichen Revisionsarbeiten eingeleitet werden. 


Zusammenfassung der Hauptgruppen 

Zur besseren Übersicht haben wir die CM-Hauptgruppen noch einmal kurz zusammengefasst:

Sensorik:

Sensoren erfassen bestimmte Messgrößen und wandeln diese in ein elektrisches Signal um. Mögliche Sensoren sind beispielsweise, Stromsensoren, Spannungssensoren, Kraftsensoren, Vibrationssensoren, Abstandssensoren, Drehzahlsensoren, Temperatursensoren, Drucksensoren oder auch Füllstandsensoren und Näherungsschalter.

Netzwerk:

Über das vor Ort vorhandene Industrienetzwerk sind die Sensoren mit dem Condition Monitoring System verbunden. Das Netzwerk kann sowohl kabelgebunden als auch drahtlos sein, wobei erfahrene Servicekräfte aus Sicherheitsgründen die kabelgebundene Version bevorzugen.

Condition Monitoring System:

Das CMS ist das Herzstück und übernimmt als physikalische Auswerteeinheit die exakte Datenerfassung und die Speicherung der Messwerte. Zudem ermöglicht das Condition Monitoring System die praxisnahe Darstellung auf unterschiedlichen Endgeräten.

Condition Monitoring Software:

Spezielles Programm zur Darstellung, Analyse und Speicherung der Sensordaten. Während für die Speicherung früher vorzugsweise Inhouse-Lösungen (On-Premise) bevorzugt wurden, setzen sich mittlerweile immer mehr IoT- und Cloud-Lösungen, sowie das vernetzte Online Condition Monitoring durch. Ganz im Trend von Industrie 4.0. 



Welche Vorteile bietet Condition Monitoring?

Durch den permanenten Vergleich zwischen dem Istwert und dem Sollwert kann eine klare Aussage zum momentanen Zustand von beispielsweise einer Produktionsmaschine getroffen werden.

Durch die exakte Diagnose der Ergebnisse des Zustandsvergleichs können dann Empfehlungen für die vorbeugenden Instandhaltungsmaßnahmen abgeleitet werden. Dies ist umso wichtiger, da viele Maschinen im täglichen Einsatz nahe der Leistungsgrenze betrieben werden.

Oft laufen die Anlagen rund um die Uhr, um die Produktion sicherzustellen. Unvorhergesehene Ausfallzeiten führen dann sehr schnell zu größeren Komplikationen, die sich letztendlich nur durch einen erhöhten Arbeits- und Kostenaufwand beseitigen lassen. 

Besser wäre es, wenn sich Schäden schon frühzeitig erkennen ließen. Und genau das sind die Vorteile von Condition Monitoring.   


Vorteile von Condition Monitoring

Kompetente Maschinenüberwachung

Durch die Anzeige aller momentanen Parameter haben die für den Betrieb verantwortlichen Personen immer alle Informationen über den aktuellen Zustand der jeweiligen Anlage. Auch ohne umfangreiches technisches Allgemeinwissen können diese Personen nun sofort erkennen, ob eine Maschine problemlos arbeitet oder ob in einem bestimmten Bereich Handlungsbedarf besteht. 

Vorzeitige Fehlererkennung

Auch wenn eine Anlage augenscheinlich noch fehlerfrei funktioniert, kann eine erhöhte Stromaufnahme des Antriebs auf eine eventuelle Schwergängigkeit der Mechanik hinweisen. Selbst kurzzeitige Aussetzer werden zuverlässig erfasst und für die spätere Fehlersuche protokolliert. Somit können noch vor einem Totalausfall die erforderlichen Servicearbeiten durchgeführt werden.

Genaue Fehleranalyse

Oftmals ist die Fehlersuche an einem komplexen System mit einem hohen Zeitaufwand verbunden, da die Ursache der Störung nicht immer eindeutig zu ermitteln ist. Bei manchen Störungen ist es zudem unklar, ob es sich um eine mechanische Störung oder um ein elektrisches Problem handelt. In diesem Fall sind die gespeicherten Messwerte eine wertvolle Hilfe für das Servicepersonal.

Optimierung der Serviceintervalle

Durch das kontinuierliche Monitoring zeigt sich sehr schnell, wo ein System einen erhöhten Wartungsaufwand hat und wo die Wartungsintervalle nicht so häufig erforderlich sind. Durch eine individuell an das System angepasste Wartung werden die servicebedingten Arbeiten auf das erforderliche Minimum reduziert, ohne dass dabei der Gesamtzustand einer Anlage leiden muss.

Minimierung der Standzeiten

Condition Monitoring ermöglicht eine vorausschauende Wartung (Predictiv Maintenance), wodurch die Anzahl der Totalausfälle und die damit verbundenen Stillstandzeiten deutlich reduziert werden. Das führt letztendlich zu einer besseren Auslastung der Produktion und zu einer höheren Wertschöpfung des Unternehmens. Das Investment wird sich also schnell amortisieren.



Condition Monitoring für eine vorausschauende Instandhaltung

Auch wenn Condition Monitoring Systeme (CMS) ein gewisses Investment und Know-how erfordern, führt langfristig kein Weg daran vorbei. Denn der wirtschaftliche Nutzen der kontinuierlichen Zustandsüberwachung im laufenden Betrieb und die daraus resultierende vorbeugende Wartung (Predictive Maintenance) sind unumstritten. Zudem ermöglicht die lückenlose Zustandsüberwachung eine planbare und somit kostenoptimierte Instandhaltung. Die anstehenden Servicearbeiten können bereits im Vorfeld konkret geplant und während der regulären Standzeiten durchgeführt werden.

Aus diesem Grund werden neue Anlagen, Maschinen und Systeme bereits ab Werk mit der erforderlichen Sensorik bzw. mit den notwendigen Schnittstellen ausgestattet.

Aber auch das Nachrüsten (Retrofit) bestehender Anlagen, die auch als Brownfield-Anlagen bezeichnet werden, lohnt sich durchaus. Denn eine Instandhaltung bzw. Reparatur nur nach Bedarf, die zudem lediglich bei ungeplanten Stillständen praktiziert wird, trägt nicht wirklich zur Produktionssicherung bei.

Und eine präventive Instandhaltung nach Wartungsplan, wie sie in der Vergangenheit oftmals praktiziert wurde, ist ebenfalls zunehmend unwirtschaftlich, da größtenteils noch gut funktionierende Komponenten und Schmierstoffe unnötigerweise ausgetauscht werden.



Wo liegen die Grenzen und Risiken beim Condition Monitoring?

Das Thema Condition Monitoring zählt neben der Digitalisierung und der Vernetzung mit zu den Kernelementen der Evolutionsstufe Industrie 4.0. Da die bereits oben erwähnten Vorteile eindeutig für sich sprechen, ist CM als wichtige Schlüsseltechnologie ein absolutes Fokusthema. Allerdings schützt Condition Monitoring nicht vor plötzlich auftretenden Ereignissen. Diese können eintreten, wenn beispielsweise ein Getriebezahnrad wegen eines Fehlers im Material schlagartig bricht. Materialermüdung hingegen ist durch die Erfassung von Belastungswerten und Lastzyklen durchaus Gegenstand von CM.

Ebenfalls wichtig sind die korrekt eingestellten und festgelegten Betriebsparameter. Besonders bei Retrofit-Anlagen, wo aufgrund fehlender Herstellerangaben auf praxiserprobte Erfahrungswerte zurückgegriffen werden muss, ist es wichtig, die passenden Grenzwerte einzustellen. Sind die Toleranzwerte zu gering eingestellt, stören die unnötigen und falschen Fehlermeldungen lediglich den Betriebsablauf. Sind die Grenzen zu großzügig gewählt, kann eine Alarmmeldung unter Umständen zu spät erfolgen. 

Ein weiterer wichtiger Punkt ist die nicht unerhebliche Menge an sensiblen Daten, die sich zwangsläufig ansammelt. Bei der Nutzung müssen klare Zugriffsrechte vergeben sein und bei der Speicherung muss sichergestellt sein, dass unberechtigte Personen keinen Zugriff haben. Besonders dann, wenn sich bei Personen Firmenzugehörigkeiten ändern. Bei den erforderlichen Datenübertragungen sind gängige Verschlüsselungstechnologien unbedingt zu nutzen und zu überwachen.